Was tue ich?

Ich darf, beginnend vom 01.09.2014 elf Monate lang an der Visions of Hope Christian School “Rose of Sharon” auf den Philippinen ein Freiwilliges Soziales Jahr machen.
Die Kinder, die ich dort unterrichten und lieb haben darf, sind ehemalige Straßenkinder im Alter von drei bis sechzeh Jahren.
Als eine von insgesamt 17 Freiwilligen, die ADRA live dieses Jahr in verschiedene Länder entsendet, habe ich nun die Möglichkeit, von meinem Überfluss abzugeben und durch meine Zeit und meine Kraft das Projek zu unterstützen und mitzuhelfen, dass Menschen wieder hoffen können.

Mittwoch, 1. April 2015

Sein oder nicht sein

"Ikaw ang tunay na Diyos...",
"Ito ang lapis mo?",
"Ako si ang kapatid ni Angela",...

Ich lerne. Ich lerne immer mal wieder. Und dann wieder nicht mehr.
Ich verstehe. Ich verstehe immer mehr. Und dann wieder überhaupt nichts.
Ich treffe Menschen, die mich so faszinieren, dass ich mit ihnen sprechen will, in egal welcher Sprache. Menschen, die mich motivieren, zu lernen, ohne ein Wort zu sagen. Und dann sehe ich Konjugationstabellen und endlose Wörter, deren einzige Vokale "as" sind und muss mein Buch leider wieder weglegen.

Die Kinder lehren mich am meisten. Jedes Mal, wenn ich versuche, meine Tagalog-Studien auf eigene Faust weiter zu führen, endet das meist im Nichts. Ich habe keinen Bezug zum Wort, kein Beispiel, wenn ich es nur im Buch sehe. Aber wenn ich mit einem Kind spreche, oder ihm zuhöre, sehe ich, wie Leben in diese Sprache kommt. Wie die Worte plötzlich Sinn ergeben, wie sie sich zusammenfügen, wie ein Kokosfaserkorb, unter den Händen der Korbmacherin. Ich lerne durch Lieder, durch lustige Momente des Missverstehens mit den Kindern. Zu fast jedem Wort kann ich mittlerweile eine Geschichte erzählen.

Dass mich "tunay" immer an Thunfisch erinnert hat, bis ich herausgefunden habe, dass es "echt" heißt, dass ich "talaga" fälschlicherweise im Wörterbuch als "dalaga" nachgeschlagen hatte, und überrascht war, wie oft die Filipinos das Wort "Junggesellin" verwenden, bis ich zu meiner Schande feststellen musste, dass es einfach nur "wirklich" heißt.
Von Kathrina weiß ich "dito" (hier) und "doon" (dort) zu unterscheiden, Rico hat mich "intindihan" (verstehen) gelehrt, von Romeo habe ich gelernt, dass "rin" einfach nur "auch" bedeutet und von Jessa habe ich eine Lektion in Tagalogtiernamen erhalten, sodass ich von der Ameise über die Ziege bis hin zum Elefanten fast alles benennen kann.

Grammatik ist dann noch so ein ganz eigenes Kapitel. Ein extremer Mangel an Verben macht es für uns schwer, zu verstehen, was sich auf wen bezieht. Ein Satz wie "Ako si Melanie" (Ich, die Melanie) ist als Antwort auf die Frage "Anong pangalan mo?" (Wie dein Name?) angebracht. Auch ohne sein. Überhaupt ohne Verb. Dafür gibt es eine Fülle an Pronomen und unübersetzbaren, aber lebensnotwendigen Partikeln. Wörtchen, die eine Frage indizieren, die Respekt ausdrücken, die Beziehungen zwischen Personalpronomen anzeigen, die verstärken, die klar machen, wer angesprochen ist... die Liste ist endlos und glücklicherweise sind sie natürlich alle kurz, meist nur zusammengesetzt aus zwei Buchstaben, was das Lernen natürlich ungemein vereinfacht...und die Verwechslungsgefahr minimiert. Nicht.

Und doch verstehe ich Vieles. Der Rest kommt durch Logik. Und Hände und Füsse.
Eigentlich ist Sprachen lernen gar nicht schwer. Solange man Kinder hat.

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